Rübenschmalz

„Das verstößt doch ganz sicher gegen die Datenschutzgrundverordnung.“ Meine Gartennachbarin Frau B. hebt mit spitzen Fingern ein Pappschild an, das an einer Schnur zwischen zwei Straßenbäumen hängt. Auf die Pappe hatte Bruce große Buchstaben gemalt: „AM SONNABEND AB 8 UHR BITTE FREIHALTEN BAUSTOFFLIEFERUNG FÜR KLEINGÄRTNERVEREIN“

„Das verstößt eher gegen irgendwelche Werbevorschriften“, lästert Hans-Georg B. und zeigt auf die Rückseite des Schildes, auf der das Logo eines bekannten Baumarktes prangt.

Bruce und ich stehen mit Schubkarre und Schaufel am Eingang unserer Gartenanlage.

„Ihr könnt dann gleich mal mithelfen“, knurrt Bruce.

„Gleich werden acht Tonnen Splitt für die Gartenwege und die Winterstreugutkisten gebracht“, erkläre ich.

„Oh, Splitt“, Hans-Georg B. stemmt sich die Hand mit abgewinkeltem Ellbogen in die Nierengegend. „Ich hab Rücken.“

Frau B. streckt ihren Zeigefinger in die Höhe. „Ich hab auch Rücken.“

Bruce wiederholt wie ein Oberkellner: „Das wären dann zweimal Rücken. Wünschen die Herrschaften etwas zu trinken? Und wenn ja, wird es dann zum Breitharken reichen?“

„Meine Harke hole ich mal“, nuschelt Hans-Georg B. und schlurft in Richtung seines Gartens davon.

Bruce dirigiert den Lkw Richtung Gartenzaun und gibt das Signal zum Abkippen. Wir werfen die ersten Schaufeln Splitt in die Schubkarre.

Frau B. folgt ihrem Gatten und ruft uns zu: „Ich frag mal rum, wer noch mit anpackt.“
Wenig später tauchen einige Gärtner mit Schubkarren und Schaufeln auf. Allen voran Pierre und Rapunzel.

„Endlich sieht man den Vorstand mal arbeiten“, stichelt Rapunzel.
Bruce wuchtet missmutig seine Schubkarre hoch und begrüßt die anderen mit: „Moin, Moin, immer ran an den Sarg und mitgeweint.“

Zwei Stunden später liegt nur noch ein kleines Häuflein Splitt auf dem Gehweg vor der Anlage.

„Machen wir heute Abend Rübengeistern?“, fragt Rapunzel.

„Natürlich“, antwortet Pauls Mutter, „die Kinder haben doch schon geschnitzt, wie die Weltmeister.“ sie deutet auf einen Zaunpfahl, auf dem eine riesige Zuckerrübe mit schrecklicher Fratze prangt.

„Aber erst mal machen wir eine Brotzeit“, sage ich und hole ein Tablett mit vorbereiteten Schnitten aus meiner Laube.

„Hm, schmeckt wie Fettbemme“, schmatzt Bruce, „was ist das?“

„Rübenschmalz.“

Ich hatte 400 g Pastinaken geputzt, in zirka 1,5 Zentimeter starke Scheiben geschnitten, diese auf beiden Seiten mit etwas Öl bepinselt und auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech bei 160 °C im vorgeheizten Ofen ungefähr 20 Minuten geröstet. Unterdessen schälte ich 100 g Petersilienwurzel und zwei kleine Zwiebeln, schnitt sie in feine Würfel und röstete diese in einer Pfanne kross an. Einen kleinen Apfel rieb ich und mischte einen EL Zitronensaft unter.
Die Pastinaken gab ich mit sechs EL Mandelmilch in einen Mixbecher und pürierte sie. Dazu rührte ich 50 g geschmolzene Margarine. Zum Schluss hob ich die Petersilien- und Zwiebelwürfel, vier TL Majoran sowie den geriebenen Apfel unter und schmeckte mit Pfeffer, Rauchsalz und geriebener Gewürznelke ab.

25 Gedanken zu “Rübenschmalz

  1. Na das ist ja wieder was für mich: schön erdig und etwas Frucht , so stell ich mir den Geschmack vor. Hab bisher nur Rezepte mit Kokosöl (weil das ja fest wird), und ich mag dabei aber den dominanten Geschmack nach Kokos nicht (an anderer Stelle schon).
    ABER warum baut ihr Zuckerrüben im Garten an? 😳 Ich war froh, die kindliche Erinnerung des Rübenhackens überwunden zu haben 😆. Und wie jetzt, damit wird geschnitzt? Also so Kürbisstyle?
    Liebe Grüße

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    1. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass meine älteren Geschwister vor vielen, vielen Jahren schon eine Rübe ausgehöhlt, mit einer Fratze versehen und mit brennender Kerze darin aus dem Kinderzimmerfenster nach unten gelassen haben. Oh, das gab Ärger, aber Halloween gab es damals nicht. Die Tochter der unter uns wohnenden Familie hatte angeblich einen Nervenzusammenbruch…

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    2. Die Tradition des Rübengeisterns gibt es in Süddeutschland und der Schweiz vermutlich länger als die Kürbisschnitzerei. Wir bauen aber keine großen Mengen Rüben an. Da hält sich auch die Hackerei in Grenzen. Traditionelle Grüße aus dem Garten 😉

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  2. Das „Rübenschmalz“ ohne Rüben und ohne Schmalz klingt ausgesprochen fein. Zumal ich Pastinaken gern mag, auch in Kombination mit Petersilienwurzeln. Und Äpfel hab ich sowieso gerade jede Menge. Da ist das Rezept eine gute Anregung zum weiter Experimentieren.

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      1. Streng genommen bezeichnet das Wort Rübe ja auch nur eine verdickte Hauptwurzel als Speicherorgan. So gesehen ist auch die Petersilienwurzel eine Rübe. (hab’s grade nochmal nachgeschlagen).🤓 Belesen Grüße aus dem Garten. 🌻

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    1. Wir haben das im Rahmen von der Aktion „Lebensmittel sind wertvoll – so schmeckt’s aus dem Kleingarten“ zur Verkostung angeboten und es kam beim Publikum sehr gut an.
      Beste Grüße aus dem Garten
      😃

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