„Weißt du noch, als wir im Herbst zum ersten Mal Erdbirnen geerntet haben?“ Meine Tochter Jasmin blickt vom Küchentisch auf und grinst versonnen. Wir hatten uns zur Planung der kommenden Gartensaison verabredet, doch beim Sortieren unserer Saaten schweifen wir immer wieder ab.
Ich schmunzele. „Ja, dass war ein Spaß, was?“
Meine Gartennachbarin Frau B. und Rapunzel waren just in dem Moment, als wir im Hochbeet nach Erdbirnen gruben, im Garten meiner Tochter aufgetaucht.
„Was wollt ihr ernten? Erdbirnen? Ich denk die sind verboten?“ Frau B. schaut uns misstrauisch über die Schultern.
„Erdbirnen sind doch nicht verboten,“ echauffierte sich Jasmin.
„Doch“, beharrt Frau B., „Topinambur ist verboten, weil er ein invasiver Neophyt ist.“
„Thüringer Erdbirnen kenn ich,“ mischte Rapunzel sich ein, „da werden Topinamburknollen zirka acht Minuten in Salzwasser gekocht, danach geschält, mit Fleischbrühe übergossen und gerösteten Weißbrotwürfeln serviert.“
„Die zwei würden über nix Fleischbrühe gießen,“ korrigierte Frau B. verschränkte aber ob der anderweitigen Bestätigung triumphierend ihre Arme.
„Wir bauen doch hier nicht Verbotenes an.“ Jasmin gab sich unschuldig. „Unsere Erdbirne ist nicht die Knolle von Helianthus tuberosus sondern von Apios americana. Sie wird auch Zimtwein oder Apios genannt und gehört, genau wie Bohne und Erbse, zu den Schmetterlingsblütlern. Diese Erdbirne stammt aus Nordamerika und ist dort weit verbreitet. Schon die Ureinwohner Nordamerikas nutzten die Wurzelknollen als proteinreiche Nahrungsquelle. Die Pflanze rankt wie eine Stangenbohne. Unsere war ungefähr zweieinhalb Meter hoch.“ Jasmin deutete auf das Gestell hinter dem Hochbeet.
„Und ich wollte mich schon wundern, weil ich an dieser Stelle hier übers Jahr gar keine Sonnenblumen gesehen habe“, knurrte Frau B. und reckte ihren Hals, um erneut ins Hochbeet zu spähen.
„Unsere Erdbirne ist mehrjährig und winterhart,“ dozierte Jasmin weiter. „Sie treibt ab April aus und kann über drei Meter hoch werden. Die Blätter sind unpaarig gefiedert, aus fünf oder sieben ovalen bis lanzettförmigen Blättchen zusammengesetzt und werden bis zu zwanzig Zentimeter lang. Ab Juli bis September erscheinen die würzig duftenden Blüten. Diese sitzen in Trauben zusammen und sind rötlich braun gefärbt.“
„Aha, daher wohl auch der Name Zimtwein“, vermutete Rapunzel lerneifrig.
Jasmin erklärte weiter: „Die Wurzelverdickungen sind Speicherorgane, die das Überwintern der Pflanze sichern. Sie entwickeln sich sehr langsam. Deshalb werden wir nicht alle Knollen ernten. Der aromatische und süßliche Geschmack lässt sich als eine Mischung aus Haselnuss, Esskastanie und gerösteter Süßkartoffel beschreiben. Wir werden sie waschen, schälen und auf dem Grill kurz anrösten. Ich nasche die auch roh.“
Unterdessen hatte ich die erste Wurzel zu Tage gefördert.
„Hach,“ kommentierte Rapunzel, die sehen ja aus wie Liebesperlen.
Wir grinsten uns an. „Liebesperlen kenn ich nur als bunte Zuckerkügelchen aus der Nuckelflasche“, log Frau B. tapfer.

Was für eine schöne Geschichte. Die gefällt mir.
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Dankeschön 🌻
Erfreute Grüße aus dem Garten 🌱🌿
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Ich grüße zurück.
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Hehe, wenn die aus Amerika stammt ist sie ja auch ein invasiver Neophyt, genau wie die Kartoffel. Zum Glück hat man das damals noch nicht unterbunden, denn wo wären wir ohne Kartoffeln? 😉 🙂
Eine interessante Planze, da werde ich mal näher drüber nachlesen.
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Neophyt ja, invasiv eher nicht. Da gibt es schlimmere Kandidaten. Topinambur ist viel wüchsiger als die Erdbirne.
Archaeophytengrüße aus dem Garten 🌱
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In einem Hochbeet kann doch gar nix invasiv sein, da man ja nach unten abdichtet, oder?
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Richtig, im Hochbeet ist erstmal keine Pflanze invasiv. Aber wehe eine Topinamburknolle schafft es in die freie Natur. Die Speicherknollen der Erdbirne entwickelt sich vermutlich nicht schnell genug für invasive Ausbreitung. Die oberirdischen wachsenden Pflanzenteile können eventuell bei sensiblen Nachbarpflanzen für Probleme sorgen. Aber dass können Kletterbohnen ja auch. 😊
Theoretische Grüße aus dem Garten
🌻
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Ich nasche die auch roh … luise
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Oh je, die sind verboten? Unsere Topinambur hat eine Baustelle des Nachbarn „freigelassen“, da ist beim Bau einer Mauer unsere Wurzelsperre zerhackt worden und man hat Erde woandershin getan. Tja, schöner Murks.
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Genau deswegen darf Topinambur in Kleingärten nicht mehr angebaut werden. Weil es leider immer wieder vorgekommen ist, dass Topinamburknollen mit Gartenabfällen „freigelassen“ wurden. 🫣🤗🌻
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Eieiei, immerhin sind wir kein Kleingarten 😅. Wir hatten die immer als Blumendeko, weil sie so robust sind. Essen haben wir nicht vertragen.
Die Chose war aber schon ärgerlich, vor allem wenn der Bagger plötzlich einen knappen Meter das falsche Grundstück bearbeitet. Und die Erde haben sie nachher großzügig verteilt.
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