Brotsalat quer durch den Garten

„Ich denke, wir haben Insektensterben?“

Bruce steht vor der Kletterrose an seinem Torbogen und spricht zu einem unsichtbaren Gegenüber. Ich lege meine soeben geerntete Lauchzwiebel beiseite, und versuche einen Blick auf den geheimnisvollen Gesprächspartner zu erhaschen.
Bruce spritzt mittlerweile mit scharfem Wasserstrahl zwischen den Rosenblättern herum.

„Euch werde ich´s schon zeigen.“

Ich entschließe mich, Bruce vorsichtshalber anzusprechen.

„Was ist denn bei dir los?“

„Die Blattläuse sind los.“

„Ach so“, sage ich erleichtert. „Weißt du, dass es in Mitteleuropa über achthundert Blattlausarten gibt? Das sind mehr als Wildbienenarten.“

Bruce mustert mich misstrauisch.

„Na und? Mir wären jetzt ein paar der zirka achtzig in Deutschland gesichteten Marienkäferarten recht. Die könnten sich an meiner Rose schön den Bauch vollschlagen.“

Bruce reibt mit Daumen und Zeigefinger über einen Rosenstiel, hält mir das Ergebnis unter die Nase und grinst: „Blattlaustatar:“

Ich wende mich ab.

„Hast du meinen neuen Grill schon gesehen?“ Bruce macht eine einladende Geste.
Ich schiebe mich vorsichtig durch den klatschnassen Rosenbogen.

„Mit Haube“, strahlt Bruce, „mit dem kann ich alles.“

„Auch backen?“

„Auch backen!“

Haubengrill_anonym

Ich überlege kurz und sage: „Wir können ja erst mal was Einfaches versuchen. Ich würde heute gern ein paar Brotstücke rösten.“

„Nichts leichter als das.“

Ich hole schnell eine Schüssel mit zwei Fladenbroten, die ich bereits in mundgerechte Rauten zerschnitten habe.

„Aber keine schwarzen Ränder“ sage ich streng. Bruce greift sich die Schüssel und atmet hörbar aus.

Ich kehre in meine Parzelle zurück und ernte einen Römersalat, je eine Hand voll Portulak, Petersilie und marokkanische Minze, zehn Radieschen, zehn Cocktailtomaten, eine kleine grüne Gurke, einen grünen Spitzpaprika. Auch meine Lauchzwiebeln nehme ich mit dazu, wasche sie und schneide sie in feine Ringe. Den Römersalat schneide ich in schmale Streifen und zupfe Minze und Petersilie darüber. Dann putze ich das Gemüse, schneide es in kleine Würfel und gebe es ebenfalls in die Schüssel.
Aus einer Knoblauchzehe, einem Teelöffel Salz und zwei Esslöffeln Sumach mische ich mit zwei Esslöffeln Zitronensaft und vier Esslöffeln Olivenöl ein Dressing, welches ich vorsichtig unter die anderen Zutaten hebe.

Als ich mit meiner Salatschüssel zu Bruce zurückkehre, haben sich Pierre und Kojak am Grill eingefunden. Die Herren fachsimpeln.

„Und“, frage ich, „fertig?

„Brot“, mault Kojak, „das ist Grillfrevel.“

Bruce schiebt die Grillhaube zurück.

Die Fladenbrotrauten sind rundherum goldgelb.

„Prima“, strahle ich, „holt mal Schüsseln, der Salat ist gleich fertig.“

Ich hebe die knusprigen Brotstücke unter das Gemüse und serviere.

„Und beim nächsten Mal, backen wir Fladenbrote im Grill. Dazu nehme ich einen Würfel Hefe, einen Teelöffel Zucker, einen Teelöffel Salz, sechs Esslöffel Olivenöl, fünfhundert Gramm Weizenmehl und dreihundert Milliliter Wasser. Daraus mache ich einen schönen Hefeteig“, träume ich, doch die Kerle schmatzen nur und hören gar nicht zu, sondern schmatzen nur genüsslich vor sich hin.

Bratäpfel, Rumkugeln und Bethmännchen

Weihnachtsmärkte gehören nicht gerade zu meinen Lieblingsorten. Ich wurde einmal im Gedränge nachhaltig traumatisiert. Beteiligt waren drei unachtsame Leute, eine Bratwurst mit viel Senf, eine brennende Zigarette und ein Becher Glühwein. Der genaue Ablauf der Katastrophe konnte nie vollständig rekonstruiert werden. Nur so viel: Meine damals neue Jacke wurde so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass ich sie heute nur noch zur Gartenarbeit tragen kann.

Meine Gartennachbarin Frau B. steht mit Rapunzel und zwei weiteren Gärtnerinnen am Zaun. Die Damen zählen die Vorteile eines Weihnachtsmarktbesuches auf.

„Na gut,“ sage ich schließlich, „aber wir gehen zu diesem Wintermarkt, wo mein Fräulein Tochter zu Gunsten eines Tierschutzvereins Bratäpfel verkauft. Da könnt ihr gleich mal was für die gute Sache tun.“

„Fein, mal sehen, was aus den Boskoop-Äpfeln geworden ist, die sie bei mir geerntet haben,“ freut sich Rapunzel. Auch die anderen stimmen zu und ich übernehme die Führung. Immerhin habe ich schon die richtige Jacke an.

Auf dem Weg fragt Frau B.: „Wieso nennen die das Wintermarkt?“

„Keine Ahnung,“ antworte ich.

„Vielleicht wollen die Veranstalter keine religiösen Gefühle verletzen,“ mutmaßt Rapunzel.

Auf dem Wintermarkt angekommen, stellen wir schnell fest, dass ein Markt mit Bratäpfeln, Nussknackern, Spekulatius, Räucherwerk, Stollen, Lebkuchen, Kinderspielzeug und Tannenbaum mit Lichterkette heißen kann wie er will, es bleibt ein Weihnachtsmarkt. Zumindest solange er in der Adventszeit stattfindet.

Das Fräulein Tochter freut sich, uns zu sehen.

Wir ordern fünf Bratäpfel und fünf Rumkugeln und befüllen die Spendenbüchse großzügig.

Die jungen Leute vom Tierschutzverein hatten aus Rapunzels Boskoop-Äpfeln mit einem zylindrischen Stecher die Kerngehäuse entfernt. Das entstandene Loch füllten sie mit Marzipan und Rosinen. Das Fräulein Tochter schürte die Holzkohlenglut unterm Grillrost. Nach einem kurzen Aufenthalt unter der Grillhaube bekam jeder Apfel einen Guss Vanillesoße. Die Vanillesoße hatten sie aus 500 ml Mandelmilch, dem Mark einer Vanilleschote, 20 g Stärke und drei Esslöffeln Rohrohrzucker bereitet.

Für die Rumkugeln waren 300 g Zartbitterschokolade geschmolzen worden. Unter ständigem Rühren wurden 250 g Margarine, 75 g Puderzucker, 200 g gehackte Mandeln und ganz zum Schluss drei Esslöffel Rum hinzugefügt worden, bis eine gleichmäßige Masse entstanden war. Nach dem Abkühlen wurden aus der Schokomasse Kugeln geformt und diese entweder in Kakaopulver oder in Kokosflocken gewälzt.

„Und was ist das?“ Fragt Frau B. und deutet auf eine Schüssel mit goldgelben Mandelplätzchen.

„Bethmännchen,“ erklärt das Fräulein Tochter. „Einfach 200 g Marzipan Rohmasse mit einem Esslöffel Stärke, 50 g Puderzucker, 3 Esslöffeln Mandelmilch und 60 g Dinkelmehl Typ 630 verknetet, kirschgroße Kugeln geformt, mit je drei halben Mandeln verziert und im vorgeheizten Backofen bei 170 °C Ober- und Unterhitze goldgelb gebacken.“

„Eine Runde davon bitte,“ sagt Frau B. und steckt einige Münzen in die Spendenbüchse.