Gazpacho Andaluz

Ich wurde für die Verpflegung beim Vereins-Sommerfest eingeteilt. Das Fräulein Tochter bot Unterstützung an.

„Mama“, sprach sie und sah mir tief in die Augen, „ich bring da mal ein paar Leute mit.“

Ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, wen sie meinte. Vermutlich den spanischen Physikstudenten, von dem in letzter Zeit öfter mal die Rede war und ganz bestimmt ihren neuen Freund, der angeblich Philosophie studiert und mit anderen jungen Menschen aus unserem Heimatort eine essbare Stadt machen will. Für den Anfang haben sie auf einem Hinterhof in alten Badewannen Tomaten, Paprika und Gurken gepflanzt. Wie ich von meiner Tochter weiß, kennen sie sich auch mit Feiern aus, also willigte ich ein.

Am Festtag entert ein buntes Häuflein junger Leute den Festplatz, als gerade der Schalmeienzug sein zwanzigminütiges Eröffnungströten beendet hat.

Just in diesem Augenblick fällt einer der Musiker steif wie ein Brett, mit der Nase voran in die Grasnarbe. Er hatte, wie sich wenig später herausstellen sollte, aufs Frühstück verzichtet. Dies war ihm, in Kombination mit starker Sonneneinstrahlung und Schalmei blasen, zum Verhängnis geworden.

Im allgemeinen Tumult integrieren sich das Fräulein Tochter nebst Gefolgschaft vorbildlich ins anwesende Vereinsvolk.

Die Neuankömmlinge packen beherzt zu und verfrachten den Verunglückten in den Schatten. Der Patient wird mit nassen Lappen gekühlt. Immerhin hat er jetzt mindestens zwei angehende Mediziner und doppelt so viele künftige Geisteswissenschaftler zur Seite. Auf der Festbühne dudelt „Live is life“ von Opus.

Die Sonne brennt. Die Rede des Vorsitzenden gerät kurz. Höchste Zeit mit der Beköstigung der Festgesellschaft zu beginnen.

Ein Fahrradanhänger wird auf die Festwiese geschoben. Auf dem Gefährt sind zwei große Metallbehälter und eine Gasflasche montiert. Die Behälter ähneln meinem alten Schnellkochtopf.

Meine Gartennachbarin Frau B. nähert sich neugierig der Apparatur. „Na, was gibt’s denn hier?“

„Gazpacho Andaluz“ flötet das Fräulein Tochter.“Eine kalte Gemüsesuppe.“

„Kalt? Glaub ich nicht.“ Frau B. wischt sich mit einem Tuch über Gesicht und Nacken.

Der Physiker fummelt am Ventil der Gasflasche herum und sagt: „Kann los gehen.“ Schnell sind die Topfdeckel abgenommen. Die Suppe ist so kalt, dass sich darüber Nebelschwaden bilden.

„Und was ist da alles drin?“ forscht Frau B. weiter.
Das Fräulein Tochter zählt auf: „15 Salatgurken, 60 große Tomaten, 45 Paprikaschoten, 15 Zwiebeln, 30 Knoblauchzehen, 750 g Semmelbrösel, 250 ml Rotweinessig, 500 ml Olivenöl.“

Frau B. bleibt skeptisch: „Wer soll denn das alles essen?“

„Das werden grade mal 30 Portionen“, erklärt das Fräulein Tochter nüchtern, „plus minus fünf Kellen.“

Die jungen Leute hatten das Gemüse geputzt und zwei Drittel von jeder Gemüsesorte mit dem Paniermehl, Essig, Öl, Zucker, Pfeffer und Salz püriert. Das jeweils verbliebene Drittel Grünzeug wurde in feine Stücke geschnitten, in das Püree gerührt und alles gekühlt.
Zum Servieren streuen sie noch in Würfel geschnittenes, getoastetes Weißbrot darüber.

14 Gedanken zu “Gazpacho Andaluz

  1. Schön , schön geschildert wie immer, Kompliment.Ich als ober Klugsch….meckere mal….Auch wenn die Andalusier so machen, Semmelbrösel ist nicht das non plus ultra- was Geschmackserlebnis angeht. Sorry , hat`s irgendwie gejuckt….. LG Jacob

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  2. Ja, wie jetzt, Ende der Geschichte? Oder liegst Du mit Hungerödem in der Klinik, weil Du nix abgekriegt hast?
    Fragen über Fragen.
    Dabei war ich grad so in Gartenfeierlaune.
    Besorgte Grüße,
    die Gartennachbarin im Geiste, Andrea

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  3. Lecker Süppchen auf heiterem Bericht! Und merke: nicht auf der Schalmei ohne Frühstück spielen … sonst lieber auf die Blockflöte zurückgreifen.😊

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  4. hren neuen Freund, der angeblich Philosophie studiert und mit anderen jungen Menschen aus unserem Heimatort eine essbare Stadt machen will.

    Sehr gut! Junge Leute, die das Konzept kennen, lassen mir doch immer einen Rest Hoffnung. Und ein Rezept zum Nachkochen…ähmmm…Nachkühlen 🙂

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