Das Treffen

Liebe LeserInnen,

meine Nachbarin Frau Anderlecht und ich haben uns auf einen Kaffee verabredet.

Ich nehme Kurs auf ein sanierungsbedürftiges Haus. In den neunziger Jahren war es von jungen Leuten besetzt worden. Ursprünglich befand sich dort im Erdgeschoss das Cafe Heber. Es versank Mitte der achtziger Jahre in einen Dornröschenschlaf. Das H vom Namen des ehemaligen Betreibers hatte der Zahn der Zeit von der Fassade genagt. Den Hausbesetzern gefiel der Name „Cafe eber“ offenbar nicht. Sie montierten kurzerhand das e kopfüber und fertig war das „Cafe aber“.

Heute sind die Räume des Cafes renoviert und über der Tür leuchtet der neue Name in bunten LED-Lettern „Cafe A-Z“. Im Viertel wird es jedoch weiter „Cafe aber“ genannt. Soll noch einer sagen, Provisorien hielten nicht.

Frau Anderlecht erwartet mich bereits. Sie hat vor sich eine Tasse Milchkaffee und rührt versonnen darin herum. Als sie mich entdeckt huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.
Ich bestelle einen Pott Kaffee mit Haselnussmilch und setze mich zu meiner Nachbarin.

„Ach ist das schön, Frau Aldente“, sagt sie.

„Ja“, stimme ich zu, „Guten Tag, Frau Anderlecht.“

Wir trinken und sehen auf die Straße.

„Ist denn der Herr, der Ihnen den Brief schrieb, wieder aufgetaucht?“, unterbricht Frau Anderlecht unser Schweigen.

Ich schüttele meinen Kopf. „Verschollen im Karneval, vermute ich.“

„Kennen sie den näher?“

„Nein, nicht wirklich.“

„Aber er schreibt ihnen?“

„Der hat die fixe Idee, wir würden zusammen beim Mitmachblog schreiben.“

„Beim Mitmachwas?“

„Beim Mitmachblog. Das ist so eine Internetsache.“

„Ach Internet. Kann ich da diesen Mitmachblog auch lesen?“

„Natürlich.“ Ich schreibe die URL des Mitmachblogs auf einen alten Kassenbon.

„Ah, das probiere ich nachher gleich mal aus. Schreiben sie da auch was über mich?“

„Bisher nur, dass sie mir den Brief brachten.“

„Über unser Treffen heute auch?“

„Darf ich denn?“

„Aber nur nette Sachen.“

„Selbstverständlich.“

„Wollen wir gleichmal schauen?“ Frau Anderlecht zückt ihr Smartphone.

„Darf’s noch was sein?“ ruft die junge Frau hinterm Tresen zu uns herüber.

Draußen treibt der Wind leere Kaffeebecher über den Bürgersteig und wir verlieren uns in den Weiten des Internet.

Versonnene Grüße aus dem „Cafe aber“

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