Krapfen mit Preiselbeermarmelade

Mein Fräulein Tochter steht in ihrer Küche. Es duftet nach heißem Fett und süßem Gebäck.
„Mhm, was wird denn das Feines?“ Ich spähe auf die Arbeitsplatte. Auf dem Herd in einer tiefen Pfanne schwimmen runde Teigstücke in Fett.
„Krapfen“, strahlt Jasmin und hält mir ein kleines Marmeladenglas unter die Nase, „mit selbst gemachter Marmelade aus selbst angebauten Preiselbeeren.“
Vor zwei Jahren im Oktober hatten meine Tochter und ihr Freund zahlreiche Behältnisse mit saurer Erde gefüllt und Preiselbeersträucher hineingepflanzt. Ich entsinne mich noch genau, wie viel Mühe sich die jungen Leute mit der Mischung des Substrats gaben, denn sie wollten auf gar keinen Fall torfhaltige Erde verwenden. Sie sammelten das Laub von Eichen, häckselten es und mischten es der Pflanzerde bei. Dann testeten sie den pH-Wert. Dieser sollte zwischen 4,5 und 5,5 liegen.

„Ich wusste gar nicht, dass eure Preiselbeerernte so gut war.“

„Naja, fürs Erste waren es nur 250 Gramm. Die Sträucher sind ja noch klein. Aber diese 250 Gramm habe ich mit 150 Gramm Rohrohrzucker und einem Esslöffel Wasser unter ständigem Rühren aufgekocht, drei Minuten sprudelnd kochen lassen und in zwei kleine Gläser gefüllt.“

Jasmin fischt mit der Siebkelle die ersten Gebäckstücke aus der Pfanne und legt sie auf Küchenkrepp.

„Für die Krapfen habe ich 190 Milliliter Sojadrink mit 50 Gramm zerlassener Margarine und einem Esslöffel Rum verrührt und mit 500 Gramm Mehl, einer Packung Trockenhefe, einem Esslöffel Rohrohrzucker und einem Teelöffel Anispulver zu einem glatten Teig verarbeitet. Nachdem der Teig zirka eine Stunde an einem zugfreien, warmen Ort gegangen war, stach ich mit einem Esslöffel Portionen ab, die ich zunächst zu Kugeln formte und dann zu runden Platten auseinanderzog. Dabei achtete ich darauf, dass die Mitte dünner wurde als der Rand. In meiner Pfanne zerließ ich 250 Gramm Kokosfett zum Ausbacken.“

Wir füllten Preiselbeermarmelade in die Mitte der abgetropften Krapfen.

„So, nun noch ein wenig Puderzucker drüber und fertig ist die Nervennahrung.“

„Brauchen wir wieder mal starke Nerven?“

Jasmin nickt, verdreht die Augen und macht mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung neben ihrer Schläfe.

Wir machen uns auf den Weg zu unserer Kleingartenanlage.

Am Vereinshaus treffen wir Bruce der den Fortschritt der Fassadenrenovierung begutachtet.

Am Baugerüst hat jemand einen Zettel angeklebt mit der Aufschrift: Unkraut ist der Widerstand der Natur gegen die Diktatur der Gärtner.

„Das nenne ich mal sehr frei zitiert“, kommentiert Jasmin. „Der Spruch von Oskar Kokoschka lautet eigentlich: Unkraut ist die Opposition der Natur gegen die Regierung der Gärtner.“

Bruce reißt den Zettel ab und zerknüllt ihn.

„Kokoschka hat noch mehr kluge Sachen gesagt.“ Jasmin überlegt kurz. „Zum Beispiel: Jäten ist Zensur an der Natur.“

Ich lache. „Dass dir der Spruch gefällt, glaube ich.“

Jasmin überlegt weiter. „Auch von Kokoschka: Freiheit ist ein Kaugummibegriff geworden – an jedem Schlagbaum versteht man etwas anderes darunter.“ Sie hält Bruce die Schüssel mit den Preiselbeerkrapfen hin.

„Das ist wie mit meinem Krapfen, die heißen auch in jeder Gegend anders. Koste mal.“

Stockbrot – herzhaft oder süß

Einige Gartennachbarn nehmen jede Gelegenheit wahr, größere Feuer zu entfachen. Osterfeuer, Sommersonnenwende, Martinsfeuer, Wintersonnenwende, es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht irgendein zündender Anlass gefunden wird. Auf dem Zettel an der Tür zum Vereinsheim steht: Heute Walpurgisfeuer.

Die Kinder tragen schon seit einigen Tagen jedes Holzstück, dessen sie habhaft werden können, zur Festwiese. An einigen Zäunen lichtet sich die Lattung und die Kleingärtnerschaft sieht dem kommenden Ereignis durchaus mit gemischten Gefühlen entgegen.

Zunächst wird der zur Verbrennung vorgesehene Haufen noch einmal durchwühlt. Einerseits, um etwaige Untermieter, wie zum Beispiel Igel aufzuscheuchen und andererseits, um noch intakte Zaunlatten wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Nach vollzogener Inspektion wird das Brennmaterial in der anderthalb Meter großen Feuerschale aufgeschichtet.

Ich wurde überredet, Teig für Stockbrote anzusetzen. Dazu fertigte ich zunächst aus 200 Gramm Kokosfett, fünfzig Millilitern Sonnenblumenöl, einem Apfel, einer mittelgroßen Zwiebel, zwei Knoblauchzehen, einem Esslöffel frischem Thymian, einem halben Teelöffel Salz und einer Prise frisch gemahlenem Pfeffer ein Glas voll Zwiebelschmalz. Dazu würfelte ich die Zwiebel, den Apfel und die Knoblauchzehen fein und hackte den Thymian. Ich zerließ fünfzig Gramm Kokosfett mit den fünfzig Milliliter Öl und schwitzte darin alle Zutaten an. Später gab ich das restliche Kokosfett dazu, bis alles ganz zerlassen war, salzte, pfefferte und füllte ein großes Bügelglas.

Für einen herzhaften Teig würfelte ich zwei weitere Zwiebeln und dünstete diese in vier Esslöffeln meines Apfelschmalzes an. Dann löste ich einen Würfel Hefe in einem Gemisch aus 240 Millilitern Wasser und zwei Teelöffeln Apfeldicksaft auf. Ich vermengte 400 Gramm Dinkelmehl (Typ 630) mit 100 Gramm Kastanienmehl und einem Teelöffel Salz, rührte die Hefe und das flüssige Zwiebelschmalz dazu und knetete einen geschmeidigen Teig, den ich zugedeckt in einer Schüssel gehen ließ.

Einen weiteren Teig knetete ich aus einem Würfel Hefe, 500 Gramm Dinkelmehl (Typ 630), 100 Gramm getrockneten Cranberrys und einer Prise Salz. Zuvor hatte ich den Würfel Hefe in 260 Millilitern lauwarmer Hafermilch mit drei Esslöffeln Apfeldicksaft gelöst. Auch diesem Teig gab ich zirka anderthalb Stunden Zeit zum Gehen.

Als ich meine Teigschüsseln Richtung Feuerstelle trage, werde ich dort schon erwartet. Die Männer schnitzen ihren Sprösslingen Backstöcke oder starren in die Flammen und führen bedächtig Bierflaschen zum Munde.

Die Frauen hocken unter dem Vordach des Vereinsheimes um einen Tisch, auf dem eine Kanne mit selbst angesetztem Kräutertrank steht. In einer Ecke lehnen Besen.

Wir bestücken Backstöcke und nippen vom Gebräu. Hin und wieder darf einer der Knirpse eine Handvoll getrockneten weißen Salbei auf die Glut werfen. Die Rauchschwaden winden sich durchs Geäst des Walnussbaumes und wehen dann hexengleich davon.

Kalter Hund

„Muorjanee!“, höre ich meine Gartennachbarin Frau B. im Telefonhörer röcheln.

Vermutlich habe ich mich kurz zuvor auch nicht viel anders angehört, als mein Smartphon klingelte und Kojaks Nummer im Display prangte. An einem Sonntag vor Sonnenaufgang, darf man so klingen.

Die Nachricht, die Kojak zu übermitteln hatte, weckte allerdings umgehend alle Lebensgeister.

„Bei dir und deinen Gartennachbarn wurden die Lauben aufgebrochen. Hast du die Telefonnummern? Dann ruf die mal an. Polizei und Vorstand habe ich schon verständigt.“

Wenig später treffen wir uns in der Gartenanlage. Kojak hatte auf seinem Heimweg vom Nachtdienst offene Gartentüren bemerkt und wenig später auch die zerstörten Laubentüren und Laubenfenster entdeckt.

Schnell wird klar, dass die Schäden an den Gebäuden größer sind, als der Wert des erbeuteten Diebesgutes.

„Handwerker waren das jedenfalls keine.“, resümiert Bruce und stellt zufrieden fest, dass die Einbrecher bei ihm außer einer Flasche Wodka nichts entwendet haben. Alle Werkzeuge liegen noch im Regal.

„Gärtner waren es auch nicht.“, sage ich und zeige auf meine prall gefüllte Saatgutdose.

„Wer will Kaffee?“, ruft Frau B. und winkt mit einer Thermoskanne.

Mir war als Notfrühstück ein Naschwerk in die Hände gefallen, das ich eigentlich meiner Tochter schenken wollte.

Ich hatte 400 g Mehl, 170 g Margarine, 120 g Rohrohrzucker, acht EL Sojasahne und einem TL Salz zu einem Teig verrührt. Den Teigklumpen wickelte ich in Klarsichtfolie und stellte ihn kühl. Nach etwa zwei Stunden rollte ich ihn auf bemehlter Arbeitsfläche dünn aus und schnitt vier mal sechs Zentimeter große Kekse, die ich in den auf 180 °C vorgeheizten Backofen schob.

Ich schmolz vorsichtig 250 g Kokosfett und rührte 250 g Puderzucker, 125 g Kakaopulver hinein. Die Schokomasse darf nicht mehr zu flüssig sein, wenn sie in eine mit Alufolie, ausgekleidete Kastenform gegossen wird. Nach der ersten Schicht Schokomasse folgt eine Schicht von den Keksen und so fort bis die Form mit einer letzten Schicht Schokomasse gefüllt ist. Danach braucht die Süßigkeit einige Stunden im Kühlschrank.

Wir schlürfen Kaffee und naschen reihum aus der Backform. Die Männer sinnieren über Einbruchsabwehrstrategien. Eisenzacken auf den Eingangstüren, Scheinwerfer mit Bewegungsmeldern oder gar Kameras werden erwogen.

„Ein Wachhund wäre doch auch was.“, scherzt Bruce und zeigt auf Rapunzel, die mit einem kleinen schwarzbraunen Hund an der Leine auf uns zustrebt. Der Hund trägt ein weiß-grün kariertes Mäntelchen und zittert. Er stellt sich am Gartenzaun auf, lässt die braunen Flecken über seinen Augen tanzen und blickt flehend in alle Richtungen.

„Du hast einen Hund?“ frage ich.

„Nur zur Pflege, bis das Frauchen wieder aus dem Krankenhaus entlassen ist.“ Rapunzel erbarmt sich und nimmt den Kleinen auf den Arm.

„Oooch, wie alt ist der denn?“ will Frau B. wissen.

„Sieben!“

Frau B. runzelt ihre Stirn. „Sieben was? Wochen?“

„Nein“, lacht Rapunzel, „sieben Jahre.“

Frau B. winkt ab. „Na, dann wird das kein Dobermann mehr.“