Quittengelee

Ich bin auf den Weg zur Wohngemeinschaft, in der auch mein Fräulein Tochter haust. Ihr Freund ist aus Berlin zurückgekehrt und so luden die beiden mich zu einem vorweihnachtlichen Abendessen ein. Als Geschenk habe ich ein Glas Quittengelee im Gepäck. Mein Quittenbaum ist zwar erst fünf Jahre alt, doch er trägt in jedem Jahr mehr Früchte, als ich verarbeiten kann. Leider ist es gar nicht so einfach, den Überschuss unters Volk zu bringen, denn viele meiner Gartenfreunde scheuen die Verarbeitung der harten Früchte. Pierre konnte ich wenigstens als Erntehelfer gewinnen. Er angelte mit dem Obstpflücker eine sehr große und sehr gelbe Quitte und zog. Der Ast bog sich auf uns zu. Doch die gewählte Frucht saß fest am Zweig.
„Nimm doch eine andere“, bat ich.
„Hast du nicht gesehen, wie groß und gelb die ist? Die MUSS reif sein“, sprach Pierre und zog kräftiger.
„Du brichst noch den Ast ab“, bangte ich.
Plötzlich rutsche die begehrte Frucht über den Zackenrand des Pflückgerätes. Der Ast schnellte zurück und ringsum plumsten zirka zehn Früchte zu Boden. Nur Pierres Favoritin tanzte fröhlich in den Zweigen.
„Die IST reif“, zeterte Pierre und angelte erneut nach seiner Lieblingsquitte.
„Ach lass doch. Hilf mir lieber die anderen einsammeln.“
Pierre zog wieder den Ast zu einem Bogen. Ich wartete bis sein Kampf gewonnen war. Stolz zog Pierre die bildschöne Frucht aus dem Stoffsäckchen und hielt sie mir hin. „Hier, riech mal.“
Meine Gartennachbarin Frau B. hatte unser Treiben aus sicherer Entfernung beobachtet. „Wenn das Leben dir Quitten gibt“, kommentierte sie.
„Dann mach Gelee daraus“, fiel Pierre ihr ins Wort.
„Nee, dann erfinde eine Sportart bei der die Dinger mit einem Knüppel soweit wie möglich weggeschlagen werden müssen, wollte ich sagen.“ Frau B. grinst.
„Du magst wohl keine Quitten?“
„Doch“, Frau B. zwinkerte mir zu, „aber nur als Gelee.“
Später schälte und zerteilte ich sechs Quitten, das entspricht etwa 1,5 Kilogramm. Ich setze die Obststücke mit 300 Millilitern Wasser und einer Vanilleschote zum Kochen auf die Herdplatte. Nach zirka 10 Minuten nahm ich die Schote heraus und goß einen Liter naturtrüben Apfelsaft dazu. Danach pürierte ich alles. Zur Obstmasse schüttete ich nun ein Kilogramm Gelierzucker 2:1 und den Saft einer halben Zitrone. Ich kochte alles erneut fünf Minuten auf. Mit einem eisgekühlten Teller machte ich den Geliertest. Wenn der Fruchtbrei auf dem Teller sofort geliert, kann sie in Gläser abgefüllt werden. Sollte der Geliertest einmal misslingen, kann mit Zugabe von Zitronensaft und erneutem kurzen Aufkochen gegengesteuert werden.
Beschwingt erklimme ich die Treppen zur Dachgeschoßwohnung der Wohngemeinschaft meiner Tochter. Ein vollbärtiger Mann mit Dutt lugt über das Geländer.
„Ah, Quittengelee“, moderiert der Freund meiner Tochter die Geschenkübergabe.
„Jetzt lass meine Mutter doch erstmal herein“, motzt mein Fräulein Tochter und zupft ihren Philosophen am Seemannspullover.
„Wusstet ihr, dass die Quitte indirekter Namensgeber für Marmelade ist?“
Das Fräulein Tochter verdreht die Augen und schiebt mich zur Sitzecke in der Küche.
„Hier steht aber Gelee drauf“, sagt sie und hält Ihrem Freund das Glas hin.
„Ehrlich“, fährt der Bärtige fort,“auf portugiesisch heißt Quitte Marmelo.“
„Marmelade – Gelee“, stöhnt das Fräulein Tochter, „ist doch echt egal jetzt.“

Pikante Heidelbeerkonfitüre

Obwohl meine Heidelbeerernte recht zufriedenstellend war, ließ ich mich von meiner Gartennachbarin Frau B. und Rapunzel zu einer Landpartie überreden, um auf einer nahe gelegenen Plantage noch ein paar Beeren zu pflücken. Denn ich will ein Rezept ausprobieren, zu dem ein Kilogramm Heidelbeeren nötig sind, und so viel kriege ich mit meinen paar Sträuchern beim besten Willen nicht zusammen, weil ich beim Pflücken immer zu viele Beeren nasche.

Als wir zur vereinbarten Zeit am Vereinstor zusammentreffen, schließt sich Pierre spontan unserer Runde an. Wir schwingen uns auf unsere Fahrräder und eine knappe halbe Stunde später biegen wir auf den Feldweg ein, der zur Heidelbeerplantage führt.
Der Landwirt hat ganz auf Entertainment gesetzt. Neben dem üblichen Schild „Selbst pflücken“ und der Preistabelle am Kassenhäuschen sitzt ein Mann mit Cowboyhut auf einem Barhocker. Er hat ein Mundharmonikagestell um, zupft auf einer zwölfsaitigen Gitarre herum und singt dazu Lieder von Bob Dylan und Jonny Cash.

Nebenan hat der Bauer für frisch Verliebte und Familien ein Labyrinth ins Maisfeld gesät. Darin kann ein Wissensquiz absolviert werden. Ersten Preis eine Flasche Heidelbeerwein, zweiter Preis eine Jumbo-Tüte Tortilla-Chips, dritter Preis freier Eintritt ins Maisfeldlabyrinth im nächsten Jahr.

Wir lassen uns nicht ablenken und steuern geradewegs auf die Reihen der Heidelbeersträucher zu.

Nur der Beschallung aus dem Kofferverstärker des Alleinunterhalters können wir nicht ausweichen. Der Countrybarde schmückt seinen Vortrag mit kleinen Ankündigungen. Bereits als wir ankamen fragte er uns nach Wunschtiteln, was von Pierre, ohne lange zu überlegen, mit: „Strawberry Fields forever“ beantwortet wurde.

Scheinbar hat unser Kleinkünstler Pierres Wunschtitel nicht im Repertoire, denn er spielt das Lied der Beatles nicht. Stattdessen säuselt es zu uns herüber: „Im nächsten Lied geht es um einen jungen Mann, der in die Welt hinausziehen möchte. Er macht sich Sorgen, dass er eine Familie niemals wieder sehen wird, und als er sich von seiner Mutter verabschiedet, sagt sie …“
„… dann nimm mal gleich den Müll mit raus.“, ergänzt Frau B. weise.

Wir grinsen und pflücken. Nach ungefähr einer Stunde haben wir über sechs Kilo Blaubeeren in unseren Körben, bezahlen und treten zufrieden die Heimfahrt an.

Zu Hause wasche ich ein Kilogramm Heidelbeeren uns tupfe sie trocken. Mit einer Gabel stelle ich einen Fruchtbrei her, gebe den Saft einer Zitrone, eine Messerspitze gemahlener Gewürznelken, eine kräftige Prise Muskat, zwei Lorbeerblätter, schwarzen Pfeffer aus der Mühle, eine aufgeschnittene Vanilleschote und eine kleine Zimtstange sowie ein Kilo Gelierzucker hinzu und lasse alles in einem verschlossenen Topf eine Nacht lang stehen.

Morgen werde ich den Fruchtbrei unter ständigem Rühren langsam zum Kochen bringen. Nach zirka vier Minuten sprudelndem Kochen entferne ich die Zimtstange, die Lorbeerblätter und die Vanilleschote. Dann fülle ich angewärmte Schaubgläser, verschließe und stürze sie.

Bratäpfel, Rumkugeln und Bethmännchen

Weihnachtsmärkte gehören nicht gerade zu meinen Lieblingsorten. Ich wurde einmal im Gedränge nachhaltig traumatisiert. Beteiligt waren drei unachtsame Leute, eine Bratwurst mit viel Senf, eine brennende Zigarette und ein Becher Glühwein. Der genaue Ablauf der Katastrophe konnte nie vollständig rekonstruiert werden. Nur so viel: Meine damals neue Jacke wurde so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass ich sie heute nur noch zur Gartenarbeit tragen kann.

Meine Gartennachbarin Frau B. steht mit Rapunzel und zwei weiteren Gärtnerinnen am Zaun. Die Damen zählen die Vorteile eines Weihnachtsmarktbesuches auf.

„Na gut,“ sage ich schließlich, „aber wir gehen zu diesem Wintermarkt, wo mein Fräulein Tochter zu Gunsten eines Tierschutzvereins Bratäpfel verkauft. Da könnt ihr gleich mal was für die gute Sache tun.“

„Fein, mal sehen, was aus den Boskoop-Äpfeln geworden ist, die sie bei mir geerntet haben,“ freut sich Rapunzel. Auch die anderen stimmen zu und ich übernehme die Führung. Immerhin habe ich schon die richtige Jacke an.

Auf dem Weg fragt Frau B.: „Wieso nennen die das Wintermarkt?“

„Keine Ahnung,“ antworte ich.

„Vielleicht wollen die Veranstalter keine religiösen Gefühle verletzen,“ mutmaßt Rapunzel.

Auf dem Wintermarkt angekommen, stellen wir schnell fest, dass ein Markt mit Bratäpfeln, Nussknackern, Spekulatius, Räucherwerk, Stollen, Lebkuchen, Kinderspielzeug und Tannenbaum mit Lichterkette heißen kann wie er will, es bleibt ein Weihnachtsmarkt. Zumindest solange er in der Adventszeit stattfindet.

Das Fräulein Tochter freut sich, uns zu sehen.

Wir ordern fünf Bratäpfel und fünf Rumkugeln und befüllen die Spendenbüchse großzügig.

Die jungen Leute vom Tierschutzverein hatten aus Rapunzels Boskoop-Äpfeln mit einem zylindrischen Stecher die Kerngehäuse entfernt. Das entstandene Loch füllten sie mit Marzipan und Rosinen. Das Fräulein Tochter schürte die Holzkohlenglut unterm Grillrost. Nach einem kurzen Aufenthalt unter der Grillhaube bekam jeder Apfel einen Guss Vanillesoße. Die Vanillesoße hatten sie aus 500 ml Mandelmilch, dem Mark einer Vanilleschote, 20 g Stärke und drei Esslöffeln Rohrohrzucker bereitet.

Für die Rumkugeln waren 300 g Zartbitterschokolade geschmolzen worden. Unter ständigem Rühren wurden 250 g Margarine, 75 g Puderzucker, 200 g gehackte Mandeln und ganz zum Schluss drei Esslöffel Rum hinzugefügt worden, bis eine gleichmäßige Masse entstanden war. Nach dem Abkühlen wurden aus der Schokomasse Kugeln geformt und diese entweder in Kakaopulver oder in Kokosflocken gewälzt.

„Und was ist das?“ Fragt Frau B. und deutet auf eine Schüssel mit goldgelben Mandelplätzchen.

„Bethmännchen,“ erklärt das Fräulein Tochter. „Einfach 200 g Marzipan Rohmasse mit einem Esslöffel Stärke, 50 g Puderzucker, 3 Esslöffeln Mandelmilch und 60 g Dinkelmehl Typ 630 verknetet, kirschgroße Kugeln geformt, mit je drei halben Mandeln verziert und im vorgeheizten Backofen bei 170 °C Ober- und Unterhitze goldgelb gebacken.“

„Eine Runde davon bitte,“ sagt Frau B. und steckt einige Münzen in die Spendenbüchse.