Vegane Kutteln

Mein Fräulein Tochter überreichte mir jüngst ein Glas mit eingewecktem Paprika und einen Spankorb voller Austern-Seitlingen mit der Bemerkung: „Die Pilze sind von unserem Baumstammexperiment und müssen demnächst verarbeitet werden und das Glas mit den Paprikaschoten war auch schon offen. Ich habe grad keine Zeit für Experimente. Kannst du da was draus machen?“

Ich konnte. Ich schälte und hackte eine Zwiebel fein und briet die Zwiebelwürfelchen in Olivenöl an. Dann fügte ich 500 Milliliter eingekochten Paprika samt der Flüssigkeit aus dem Weckglas, einem Esslöffel Tomatenmark und einem Teelöffel gemahlenem Kreuzkümmel hinzu. Als der Topfinhalt zu kochen begann, gab ich 300 Gramm geputzte und in mundgerechte Happen zerteilte Austern-Seitlinge dazu. Ich rührte einen Teelöffel gekörnte Brühe und ein Lorbeerblatt unter und gab ab und an einen Schuss trockenen Weißwein dazu. Zu guter Letzt rührte ich 400 Gramm gekochte Kichererbsen hinein und ließ alles zirka zehn Minuten auf kleiner Flamme köcheln. Ab und zu umrühren, mit Pfeffer und Salz abschmecken, fertig war mein Eintopf.

Ich füllte einen Thermobehälter und rief mein Fräulein Tochter an, um mich mit ihr in meinem Garten zu verabreden.

Im Garten angekommen bugsiere ich meinen Klappstuhl aus der Laube und breite drei Decken darüber aus, um mich darin einzuhüllen. Die Sonne strahlt vom Firmament. Ich schnappe mir mein Notizbuch und beginne mit der Planung für die kommende Gartensaison.

Als ich meine Blicke wegen der Belegung der Beete schweifen lasse, bemerke ich eine Stupsnase zwischen den Zaunlatten meiner Gartenpforte. „Willst du mich besuchen? Komm doch rein.“

Kipirr tönt meine Gartenschelle und der kleine Paul läuft zögernd meinen Gartenweg entlang.

„Was machst du,“ fragt der Junge.

„Ich schreibe und ich lese.“

„Was liest du?“

„Ich lese, was auf meinen Saatguttüten steht.“

„Und was steht da?“ Paul reckt sich und späht auf den Karton mit meinen Saaten.

„Du kannst doch schon selbst lesen.“ Ich halte ihm eine Tüte Puffbohnen hin.

Paul rückt sich seine Harry-Potter-Brille zurecht, kneift die Augen zusammen und liest gedehnt:

“A-cker-boh-ne“

„Richtig, Ackerbohne,“ wiederhole ich und füge hinzu: „Die hat noch ganz viele andere Namen. Manche sagen dicke Bohne dazu, andere Pferdebohne oder Saubohne.“

Paul ist nicht sonderlich beeindruckt. „Pflanzen wir die jetzt ein?“ Er deutet tatendurstig auf meine Beete.“

„Willst du mir helfen?“ Paul nickt eifrig.

Kipirr schellt es abermals. Mein Fräulein Tochter und Pauls Mutter kommen zu uns.

„Hier steckst du,“ sagt Pauls Mutter.

Ich hole Schüsseln und Löffel aus der Laube und frage: „Wollt ihr mal was kosten?“

Ich öffne den Thermobehälter und meine Gäste schnuppern neugierig.

„Schmeckt wie Kutteln,“ schnalzt meine Tochter.

Paul fragt: „Was sind Kutteln?“

„Kutteln sind aus Pansen, dem Vormagen von Kühen,“ erklärt Pauls Mutter.

„Iiiiihie!“ Paul verzieht sein Gesicht.

„Ja, igitt,“ pflichtet meine Tochter dem Jungen bei und fügt hinzu: „Aber das hier sind nur Pilze und Paprika, das kannst du ruhig essen.“

Pastinaken und Scheiterhaufen

„Das glaubst du nicht, wie aus dem Nichts stand der plötzlich neben mir.“ Rapunzel fasst mich beim Arm. Wir sind auf einem Rundgang durch unseren Kleingärtnerverein, denn in jüngster Zeit hatte es einige Einbruchversuche gegeben und wir liefen bei Anbruch der Dunkelheit Streife. Rapunzel berichtete über eine unheimliche Begegnung. „Der war von oben bis unten in Tarnklamotten gekleidet. Wer rechnet denn mit so was. Aber dann hat sich herausgestellt, dass es nur der neue Gärtner ist, der als Hobbyornithologe in der Dämmerung unseren Gartenvögeln mit der Kamera nachstellt.“

„Na, dann kann er ja auch draufhalten, wenn das nächste Mal schräge Vögel kommen.“

Wir sehen bei der Laube meiner Tochter Jasmin einen Lichtschein am Fenster und treten näher.

Im Innern der Laube ist glücklicherweise nur mein Fräulein Tochter zugange. „Mama? Rapunzel? Was macht ihr denn hier?

„Wir sind mit Streife dran.“

„Ach stimmt ja, das hatte ich ganz vergessen.“

„Und was machst Du ganz allein um diese Zeit hier?“

„Ich bin ja nicht allein.“ Jasmin greift hinter einen Vorhang und zieht einen schmächtigen Jungen ins Licht. „Der Paul ist mein Beschützer, bis ihn seine Mutter wieder abholt.“

Der Junge lächelt schüchtern. Ich schnuppere. „Was riecht denn hier so lecker?“

„Ich habe uns ein paar Pastinaken in die Pfanne gehauen.“ Jasmin deutet auf ihren Campingkocher. „Einfach Pastinaken schälen und in Scheiben schneiden, salzen, pfeffern, 10 Minuten in Rapsöl braten, grob gehackte Haselnüsse mitrösten und vor dem Servieren Thymianblättchen drüberstreuen. Wollt ihr kosten?“

Rapunzel und ich schnappen uns Gabeln und essen direkt aus der Pfanne.

„Unser Paul wird von seinen Mitschülern gemobbt“, flüstert Jasmin erklärend und etwas lauter: „Und da haben der Paul und ich heute sein preisgekröntes Insektenhotel in meinem Garten aufgehängt, damit die anderen Kinder es nicht kaputt machen können. Der Junge lächelt trotzig und ergänzt: „Nicht wie das andere im Schulgarten.“

„Genau, und zum Nachtisch gibt es Scheiterhaufen.“ Grinst Jasmin und sagt das Rezept auf wie ein Gebet: „200 Gramm altbackene Brötchen in Scheiben schneiden und in einer Schüssel mit 400 Millilitern lauwarmer Mandelmilch übergießen. Den Ofen auf 180 °C Umluft vorheizen und eine zweieinhalb Liter fassende Auflaufform einfetten. Aus drei Äpfeln das Kerngehäuse entfernen, die Früchte in Spalten schneiden und mit einem Esslöffel Zimt, 30 Gramm Zucker und dem Saft eines Viertel Zitrone mischen. Das Brötchen-Milch-Gemisch, die Äpfel und 50 Gramm Rosinen in die Auflaufform geben. Auf dem Scheiterhaufen 50 Gramm Mandelblättchen verteilen und für etwa 30 Minuten im vorgeheizten Ofen backen.

Für die Vanillesoße werden 250 Milliliter Soja-Vanille-Drink in einem kleinen Topf erhitzt. Mit ein paar Esslöffeln des Drinks werden 15 Gramm Speisestärke in einem Schüsselchen glattgerührt und dann zum restlichen Vanilledrink in den Topf gegeben. Dann werden 25 Milliliter Agavendicksaft und eine Prise Kurkuma untergerührt und das Ganze unter ständigem Rühren aufgekocht, bis die Soße andickt.“

Das Kimchi-Massaker

Mein Fräulein Tochter Jasmin hat zum Kimchi-Workshop ins Vereinsheim unseres Kleingärtnervereins geladen. Nach und nach trudeln die üblichen Verdächtigen ein, meine Gartennachbarin Frau B., Rapunzel und noch einige andere.
Frau B. inspiziert die Zutaten und murmelt: „Immer dieses neumodische Zeug.“
„Neumodisch?“ Mein Fräulein Tochter ist konsterniert. „Gemüse mit Milchsäuregärung haltbar zu machen, ist viele hundert Jahre alt. Die Koreaner entwickelten seit dem 17. Jahrhundert das Kimchi mit Chilli, wie wir es heute kennen.“
Zunächst entfernen wir die äußeren Blätter, waschen unseren Chinakohlkopf und schneiden ihn der Länge nach in Viertel. Die Strunkenden werden kreuzweise eingeschnitten. Dann salzen wir zunächst die Schnittseiten und fächern die einzelnen Schichten vorsichtig auf und salzen diese ebenfalls. Dabei achten wir darauf, dass alle Blätter mit dem Strunk verbunden bleiben. Wenn alle Viertel so behandelt sind, kommen die Kohlstücke in große Schüsseln und werden drei Stunden lang alle 30 Minuten gewendet.
Als nächstes bereiten wir die Marinade. Dafür werden pro Kohlkopf ein gestrichener Esslöffel Speisestärke und ein Esslöffel Zucker mit dem Schneebesen in 200 Milliliter Wasser eingequirlt und zum Kochen gebracht. Wenn die Marinade eindickt wird sie vom Feuer gezogen.
Wir putzen pro Chinakohlkopf 100 Gramm Karotten, 150 Gramm Radieschen, zwei Lauchzwiebeln und eine Schalotte und schneiden das Gemüse in feine Streifen. Dann werden jeweils ein haselnussgroßes Ingwerstück, acht Knoblauchzehen und ein EL Koriander grob zerschnitten und mit 40 Milliliter Sojasoße in einem Mixer zu einer zähen Paste verarbeitet, die nun in den abgekühlten Zucker-Stärkesud eingerührt wird. Zu guter Letzt werden das Gemüse und Chilipulver dazugegeben und alles nochmals durchgerührt.
Nach drei Stunden waschen wir die gesalzenen Chinakohlstücke gründlich unter fließendem Wasser und geben sie zum Abtropfen auf ein Geschirrtuch.
Jetzt wird der Kohl mariniert. Jasmin verteilt die Marinade mit einer Kelle, damit später jede Kohlration die gleiche Menge abbekommt.
Die Kohlviertel werden nochmals der Länge vorsichtig zerteilt, abermals vorsichtig aufgefächert und in jede Schicht wird Marinade gestrichen. Abschließend werden noch die äußeren Blätter eingerieben.
Nun desinfizieren die Workshopteilnehmer ihre mitgebrachten Gefäße mit kochendem Wasser. Vor dem luftdichten Verschließen erhält jede Portion noch einen Schuss Sojasoße on top.
„Jetzt müsst ihr das Kimchi für drei Tage bei Zimmertemperatur lagern, damit die Gärung beginnt. Danach sollte es noch an einem kühlen Ort für fünf Tage reifen und ist dann mindestens drei Wochen haltbar,“ doziert mein Fräulein Tochter.
„Wie jetzt“, empört sich meine Gartennachbarin Frau B., „wir können unser Werk gar nicht gleich kosten?“
In diesem Moment betritt ihr Gatte Hans-Georg das Vereinsheim und lässt seinen Blick über die Arbeitsfläche schweifen. „Was habt ihr den hier angerichtet.“
„Ein Chinakohlkopf Massaker“, grinst Rapunzel und beginnt die Werkzeuge zu reinigen.

Linsensalat mit Stachelbeeren

Mein Fräulein Tochter hockt in einer schattigen Ecke ihres Gartens und zupft die letzten Stachelbeeren vom Strauch. Hin und wieder zetert sie ein wenig.

„Na“, frage ich, „wehren sie sich?“

„Ich hasse Stachelbeeren,“ grollt Jasmin und saugt an einer kleinen, blutenden Wunde am vorderen Glied ihres rechten Zeigefingers.

„Soll ich dir ein Pflaster holen?“

„Eher die große Gartenschere, ich mach das Gestrüpp nieder, wenn es mich noch einmal pikt.“ Jasmins Augen funkeln.

Jasmins Freund und Bruce kommen von der Vorstandssitzung.

Jasmin beendet ihre Ernte, reckt sich und saugt abermals am Zeigefinger.

„Hast du dich verletzt?“, fragt ihr Freund.

„Was macht die große Vereinspolitik?“, lenkt mein Fräulein Tochter ab.

„Bruce hat eine Brandrede gehalten“, grinst mein zukünftiger Schwiegersohn.

„Ach“, wehrt Bruce ab.

„Doch, doch.“ Jasmins Freund imitiert Bruce: „Es kommt aber nicht darauf an, alles besser zu wissen und zu hoffen, dass sich irgendeine Gartenfreundin oder irgendein Gartenfreund finden wird, die oder der die anstehenden Arbeiten übernimmt. Es kommt darauf an, es besser zu machen. Kurz, wir dürfen unseren Verein nicht den Besserwissern überlassen, sondern müssen den Bessermachern die Gelegenheit geben, die anstehenden Arbeiten zu erledigen.“

„Und die Bessermacher seid natürlich ihr“, stichele ich.

„Ich bin die endlosen Debatten so leid“, stöhnt Bruce „vor allem die, die sich um längst vergangene Sachen drehen, an denen eh nichts mehr zu ändern ist.“

„Beispielsweise?“

„Beispielsweise der Gartenfreund, der auch nach fünf Jahren nicht verwunden hat, dass wir den Spielplatz mit Holzgeräten ausgestattet haben und nicht, wie er das damals wollte, mit Geräten aus recyceltem Kunststoff.“

„Aber die Kunststoffgeräte waren doch viel teurer?“

„Ja eben.“

„Und hässlich waren die Kunststoffteile auch“, pflichtet Jasmins Freund bei.

„Gibt es hier was zu essen?“ Bruce blickt sich suchend um.

Jasmin hält die Schüssel mit den Stachelbeeren hoch.

„Ich meine was Richtiges zu essen.“

„Linsensalat kann ich anbieten.“

Jasmin hatte 200 Gramm Belugalinsen in einem halben Liter Wasser gekocht, in ein Sieb gegossen und gut abtropfen lassen.

Während die Linsen kochten, schälte sie einen 250 Gramm schweren Kohlrabi, hobelte ihn fein und mischte einen Teelöffel Salz, vier Esslöffel Rote-Bete-Saft, zwei Esslöffel Zitronensaft und 50 Milliliter Wasser dazu.

Dann hackte sie zwei kleine Zwiebeln, rieb ein daumengroßes Stück Ingwer, hackte eine Knoblauchzehe und Petersilie und verrührte alles mit sieben Esslöffel Rapsöl, drei Esslöffel Balsamicoessig und drei Esslöffel Gemüsebrühe, bevor sie die abgetropften Linsen unterhob.

Jasmin halbierte 250 Gramm Stachelbeeren, gab sie zu den Linsen, fügte den marinierten Kohlrabi hinzu und garnierte die Portionen mit Brombeeren.

„Das nennst du was Richtiges zu essen?“, mault Bruce.

„Dazu habe ich noch gegrillten Zucchini.“ Jasmin angelt ein öltriefendes Stück Grillgemüse aus einer Schüssel. „Besser als nix“, brummt Bruce und schnappt sich ein großes Stück Weißbrot.

Das Erdbirnenmissverständnis

„Weißt du noch, als wir im Herbst zum ersten Mal Erdbirnen geerntet haben?“ Meine Tochter Jasmin blickt vom Küchentisch auf und grinst versonnen. Wir hatten uns zur Planung der kommenden Gartensaison verabredet, doch beim Sortieren unserer Saaten schweifen wir immer wieder ab.

Ich schmunzele. „Ja, dass war ein Spaß, was?“

Meine Gartennachbarin Frau B. und Rapunzel waren just in dem Moment, als wir im Hochbeet nach Erdbirnen gruben, im Garten meiner Tochter aufgetaucht.

„Was wollt ihr ernten? Erdbirnen? Ich denk die sind verboten?“ Frau B. schaut uns misstrauisch über die Schultern.

„Erdbirnen sind doch nicht verboten,“ echauffierte sich Jasmin.

„Doch“, beharrt Frau B., „Topinambur ist verboten, weil er ein invasiver Neophyt ist.“

„Thüringer Erdbirnen kenn ich,“ mischte Rapunzel sich ein, „da werden Topinamburknollen zirka acht Minuten in Salzwasser gekocht, danach geschält, mit Fleischbrühe übergossen und mit gerösteten Weißbrotwürfeln serviert.“

„Die zwei würden über nix Fleischbrühe gießen,“ korrigierte Frau B. verschränkte aber ob der anderweitigen Bestätigung triumphierend ihre Arme.

„Wir bauen doch hier nicht Verbotenes an.“ Jasmin gab sich unschuldig. „Unsere Erdbirne ist nicht die Knolle von Helianthus tuberosus sondern von Apios americana. Sie wird auch Zimtwein oder Apios genannt und gehört, genau wie Bohne und Erbse, zu den Schmetterlingsblütlern. Diese Erdbirne stammt aus Nordamerika und ist dort weit verbreitet. Schon die Ureinwohner Nordamerikas nutzten die Wurzelknollen als proteinreiche Nahrungsquelle. Die Pflanze rankt wie eine Stangenbohne. Unsere war ungefähr zweieinhalb Meter hoch.“ Jasmin deutete auf das Gestell hinter dem Hochbeet.

„Und ich wollte mich schon wundern, weil ich an dieser Stelle hier übers Jahr gar keine Sonnenblumen gesehen habe“, knurrte Frau B. und reckte ihren Hals, um erneut ins Hochbeet zu spähen.

„Unsere Erdbirne ist mehrjährig und winterhart,“ dozierte Jasmin weiter. „Sie treibt ab April aus und kann über drei Meter hoch werden. Die Blätter sind unpaarig gefiedert, aus fünf oder sieben ovalen bis lanzettförmigen Blättchen zusammengesetzt und werden bis zu zwanzig Zentimeter lang. Ab Juli bis September erscheinen die würzig duftenden Blüten. Diese sitzen in Trauben zusammen und sind rötlich braun gefärbt.“

„Aha, daher wohl auch der Name Zimtwein“, vermutete Rapunzel lerneifrig.

Jasmin erklärte weiter: „Die Wurzelverdickungen sind Speicherorgane, die das Überwintern der Pflanze sichern. Sie entwickeln sich sehr langsam. Deshalb werden wir nicht alle Knollen ernten. Der aromatische und süßliche Geschmack lässt sich als eine Mischung aus Haselnuss, Esskastanie und gerösteter Süßkartoffel beschreiben. Wir werden sie waschen, schälen und auf dem Grill kurz anrösten. Ich nasche die auch roh.“

Unterdessen hatte ich die erste Wurzel zu Tage gefördert.

„Hach,“ kommentierte Rapunzel, die sehen ja aus wie Liebesperlen.

Wir grinsten uns an. „Liebesperlen kenn ich nur als bunte Zuckerkügelchen aus der Nuckelflasche“, log Frau B. tapfer.

Muckefuck und Eichelbrot

„Koste mal.“ Meine Tochter Jasmin hält mir ihren Thermobecher unter die Nase.

Ich schlürfe vorsichtig.

„Na?“

„Ist das Tee?“

„Nein. Rate nochmal.“

Ich schlürfe abermals. „Irgendein Tee mit Zimt und Milch.“

„Das ist Muckefuck aus gerösteten Eicheln. Das vergangene Jahr war doch ein Mastjahr. Da habe ich bei den Eichen am Seniorenheim mal einen Beutel Früchte gesammelt.“

„Und dann geröstet?“

„Ja, zunächst kurz gewässert und alle Früchte aussortiert, die an der Oberfläche schwammen oder sichtbare Bohrlöcher hatten. Hier und da noch eine Kappe lösen und die reifen hellbraunen Früchte auf einem Blech bei 160 °C Umluft vorsichtig rösten. Die Eicheln dürfen dabei nicht zu dunkel werden oder gar verbrennen. Entweder die äußere Schale springt schon beim Rösten auf oder sie lässt sich danach leicht knacken. Der Eichelkern ist von einer dünnen, braunen Samenhaut umgeben, die ich ebenfalls entfernt habe. Die Kerne werden dann im Mixer grob zerkleinert und der Schrot drei Tage lange gewässert. Dabei habe ich alle 12 Stunden frisches Wasser genommen, bis sich keine Gerbstoffe mehr gelöst haben und das Wasser klar blieb. Das Spülwasser habe ich hier.“

Jasmin zieht einen Kanister mit brauner Brühe aus ihrem Rucksack.

„Für den Kompost?“

„Für meine Blaubeeren.“ Jasmin schmunzelt und verteilt den Inhalt des Kanisters rund um ihre Blaubeersträucher.

„Und wie ging es dann mit den zerstoßenen Eichelkernen weiter?“

„Die habe ich wieder auf ein Backblech gelegt, bei 80 °C Umluft getrocknet und dann mit meinem Mixer zu Mehl verarbeitet.“

Ich nippe nochmal an Jasmins Becher. Sie hält mir ein Gebäckstück hin.

„Und für den Muckefuck mischt du nur Eichelmehl mit Zimt und gießt heißes Wasser auf?“

„Zwei gehäufte Teelöffel Eichelmehl je Tasse mit einer Filtertüte aufgießen und je Tasse einer kräftigen Prise Zimt und einen gehäuften Teelöffel Rohrohrzucker und zum Schluss noch einen Schluck Hafermilch.“

Ich beiße in das Gebäckstück.

„Kräuterbrot?“

„Ja. 500 Gramm Weizenmehl Type 550 und 500 Gramm Eichelmehl mit zwei Esslöffeln Salz verrühren. 25 Gramm frische Hefe in 50 Milliliter Wasser auflösen zusammen mit einem Esslöffel Rapsöl unter die Mehlmischung heben. Dann nach und nach zirka 700 Milliliter lauwarmes Wasser einrühren, bis ein lockerer Teig entstanden ist. Der Teig muss dann zwei Stunden gehen und wird abermals durchgeknetet. Dabei habe ich sechs gehackte Salbeiblätter, Oregano und Thymian eingearbeitet. Im auf 220 °C vorgeheizten Backofen wird der zu einem Brotlaib geformte Teig auf mittlerer Schiene auf mit Backpapier belegtem Blech bei Ober- und Unterhitze gebacken. Nach 30 Minuten habe ich die Temperatur auf 190°C gesenkt und nach weiteren 30 Minuten die erste Backprobe mit einem Holzstäbchen gemacht. Wenn kein Teig mehr am Holzstäbchen kleben bleibt, ist das Brot fertig.“

Auf dem Gartenweg nähern sich mein Gartennachbar Hans-Georg B. mit einigen anderen Männern. „Um was wollen wir wetten, dass denen zum Thema Eichelbrot irgendeine Bemerkung mit „Käse“ einfällt?“, wispert mein Fräulein Tochter.

Maronen-Kürbis-Rosenkohlpfanne

„Heute machen wir mal ein feines Outdoorküchenkochrezept.“ Mein Fräulein Tochter Jasmin strahlt in die Runde. Rapunzel, meine Gartennachbarin Frau B. und ich haben uns um Jasmins großen Grill eingefunden.

„Outdoorküchenkochrezept“, wiederholt meine Gartennachbarin Frau B. und dehnt dabei jede Silbe.

„Mit Kürbis, Maronen und Rosenkohl.“ Jasmin nickt bekräftigend.

„Ich sehe nur einen Grill mit Deckel und einen Campinggaskocher.“ Frau B. ist skeptisch. „Soll das deine Outdoorküche sein?“

„Na klar, mehr brauchen wir nicht.“ Jasmin öffnet den Deckel des Grills und entzündet die Holzkohle.

„Zuerst schneiden wir bei 450 g Maronen die Schale zirka anderthalb Zentimeter lang kreuzweise ein und rösten sie.“

Wir beginnen, die Maronen zu bearbeiten. „Sind die alle von dem kleinen Bäumchen, dass wir vor zwei Jahren auf die Gemeinschaftsfläche gepflanzt haben?“ Rapunzel blickt sich ungläubig um.

„Nein, ich habe 250 g gekauft, aber die anderen 200 g sind eigene Ernte“, gesteht Jasmin. Sie schiebt ein Blech über die Glut, stellt eine Keramikschale mit Wasser darauf, verteilt die geschlitzten Maronen um das Gefäß und schließt den Deckel. Das Thermometer zeigt 160 ° C.

„Die brauchen jetzt zirka 20 Minuten, bis die Schale sich an den Schnittstellen öffnet. Inzwischen müssen wir 1300 g Rosenkohl putzen und bürsten zwei Hokkaidokürbisse sauber und das Kürbisfleisch in Würfel schneiden. Wir brauchen ungefähr 1600 g Kürbiswürfel.“

Frau B. stichelt: „Hast du eine Waage in deiner Outdoorküche?“

Jasmin nimmt unbeeindruckt einen Kürbis von zirka 15 Zentimetern Durchmesser in die Hand. „Der hat ungefähr ein Kilo.“

Frau B. runzelt ihre Stirn und ruft: „Hans-Georg kannst du mal die Waage bringen.“

Wenig später liegt der Kürbis auf einer alten Küchenwaage und der Zeiger steht bei 920 Gramm.

„Naja“, kommentiert Frau B., “das will ich mal durchgehen lassen.“

Dann sind auch schon die Maronen fertig und wir beginnen sie zu schälen. Auf das Blech kommen nun für ungefähr 20 Minuten die Kürbiswürfel. Das Thermometer zeigt mittlerweile 200 ° C. Jasmin träufelt über die Kürbiswürfel zwei EL Rapsöl, die sie zuvor mit einem TL Salz verrührt hat.

Auf dem Gaskocher hat mein Fräulein Tochter einen Topf mit Salzwasser zum Kochen gebracht und füllt die Rosenkohlröschen ein. Nach zirka zehn Minuten ist der Kohl bissfest gar und wird mit kaltem Wasser abgeschreckt und zum Abtropfen warmgestellt.

Wir schälen vier Zwiebeln und schneiden sie in kleine Würfel und Jasmin dünstet diese auf dem Gaskocher in einer hohen Pfanne mit sechs EL Öl an, bevor sie die geschälten Maronen und den Rosenkohl sowie etwas Wasser hinzufügt und mit Pfeffer und Salz abschmeckt.

Die Kürbiswürfel haben unterdessen Farbe angenommen und werden von uns portionsweise unter die Zutaten der restliche Gemüsepfanne gehoben.

Hans-Georg hält als erster seine Schüssel hin. Seine Frau schaut ihn missbilligend an. „Nichts beigetragen, aber …“

„Ich habe die Waage beigetragen“, unterbricht Hans-Georg seine Frau.

„Na dann will ich nichts gesagt haben.“

Robby-Bubble-Bowle

(In diesem Beitrag wird eine Kindersekt-Sorte erwähnt. Die Autor:in wurde von der Herstellerfirma nicht dafür bezahlt. Trotzdem vorsichtshalber hiermit die Werbekennzeichnung.)

Mein zukünftiger Schwiegersohn kämpft mit dem Gartenschlauch, der in zahlreichen Schleifen und Windungen zu seinen Füßen liegt. „Was hast du denn mit dem Schlauch gemacht? Deinen Namen getanzt?“  

Mein Fräulein Tochter ist empört. „Das war ich nicht. Ich bin doch eben erst mit dir in den Garten gekommen. Vielleicht war es meine Mutter.“

Die beiden haben mich noch nicht bemerkt.

„Deine Mutter“, der Freund meiner Tochter macht eine bedeutsame Pause, „deine Mutter weiß, wie man mit einem Gartenschlauch umgeht.“

„Deine Mutter, deine Mutter“, äfft meine Tochter Jasmin ihn nach.

„Oh, ihr seid schon aus eurem Urlaub zurück?“, frage ich unschuldig.

„Huch, jetzt hast du mich aber erschreckt, wo kommst du denn so plötzlich her?“

Ich deute mit gestrecktem Zeigefinger Richtung Himmel.

„Wer hat unseren Schlauch derart verknotet?“, fragt Jasmin streng.

„Ich nicht. Vielleicht war es Rapunzel, sie hat mir in den vergangenen Tagen geholfen euren Garten zu gießen.“

„Und dann lässt sie dieses Kuddelmuddel einfach liegen?“

„Sie wollte bestimmt noch weitermachen. Sie gibt am Vereinsheim nur schnell den Kindern was zu Trinken.“

„Durst hätte ich auch. Komm wir gehen mal gucken

Am Vereinsheim sitzen sieben Kinder mit Gläsern in den Händen, aus denen Trinkhalme ragen. „Klopf, klopf.“ Rufe ich und luge durch die Küchentür. Rapunzel wendet sich vom geöffneten Kühlschrank ab und fragt mit Blick auf meine Begleitung: „Na, wie wars in Amsterdam?“

„Das sag ich dir erst, wenn du mir auch was zu trinken gibst“, zickt mein Fräulein Tochter. Rapunzel schenkt ein und beginnt Zutaten aufzuzählen. Zunächst habe ich gestern einen Aufguss von je einer Hand voll  Melisse, Ysop, Thymian, schwarzen Johannisbeeren und Pfefferminze sowie je einer kräftigen Prise Kardamom, Nelke, Muskatnuss und Zimt gemacht. Da wollte ich eigentlich was für mich draus mixen. Aber als vorhin die Kinder kamen, habe ich kurzerhand acht Zentiliter davon mit zwei Litern eiskaltem Mineralwasser, 0,3 Liter Bitterlemon und zwei Flaschen von diesem Kindersekt hier gemischt, der bei der jüngsten Feier übriggeblieben ist. Rapunzel hält eine bunte Flasche hoch.

Ich lese: „Robby-Bubble-Berry“.

„Dazu gab ich noch 150 Gramm Heidelbeeren und einige Zweige Estragon“, ergänzt Rapunzel.

„Also wie wars in Amsterdam?“ Wiederholt Rapunzel ihre Frage.

„Für Radfahrer ein Traum. Da können sich die deutschen Städte mal eine Scheibe abschneiden“, beginnt der Freund meiner Tochter zu schwärmen. Sein Männerdutt hüpft auf und nieder, während er die Erlebnisse der Urlaubsradtour schildert.

„Und wie viele berühmte Personen da geboren sind“, stichelt Jasmin.

„Genau,“ steigt unser Alleinunterhalter ein, „Rembrandt, Baruch de Spinoza, Peter Post.“

„Und wie viele berühmte Personen da gestorben sind“, frotzelt Jasmin.

„Auch Rembrandt, Oswalt Kolle, Robby Müller.“

Rapunzel fragt: „Wer sind Peter Post und Robby Müller?“

„Peter Post war ein Radsportler und Robby Müller ein begnadeter Kameramann.“

Mein zukünftiger Schwiegersohn schüttelt den Kopf über so viel Unwissenheit.

Bitte um Unterstützung

Liebe alle,

der wunderschöne Kleingärtnerverein „Flora I“ hat sich um den Titel Verein des Jahres beworben.

Für den Publikumspreis benötigen die Kleingärtner:innen Eure Unterstützung. Bitte dem unten stehenden Link folgen, im Suchfeld Flora I eingeben, mit Eurer E-Mail-Adresse abstimmen und den Link in der Bestätigungsmail anklicken.

Nehmt Euch bitte den Moment Zeit, vielleicht verhelft Ihr den Kleingärtner:innen zu einer schönen Ergänzung der Vereinskasse.

Danke im Voraus, Ihr seid die Besten.

Ich zähl auf Euch.