Scharfe Kirschen und Hundeblumenhonig

„Der Hans-Georg will da einen Zaun hin bauen“, schreit meine Gartennachbarin Frau B. und deutet auf den Streifen Lavendelpflanzen, der die Grenze zwischen unseren Parzellen markiert.

Im Hintergrund schiebt Herr B. seinen Rasenmäher übers Wiesengrün. Sonnabendnachmittag, denke ich. Im ausgefüllten Rentnerleben des Hans-Georg B. gibt es offenbar keine andere Zeit als diese, um Klee und Co. zu trimmen.

„Muss es denn unbedingt ein Zaun sein?“ frage ich.

„Was?“ Frau B. biegt ihr Ohr mit der Hand in meine Richtung. „Der Hans-Georg macht so‘n Krach. Hans-Georg, jetzt schalt doch mal das Ding aus. Die Karo will was wissen.“

Herr B. unterbricht seine Tätigkeit, schiebt seinen Strohhut aus der Stirn und gesellt sich zu uns.

„Die Kirschen sind bald reif“, sagt er und deutet auf meinen Sauerkirschbaum.

„Jetzt lenk nicht ab, Karo will wissen, warum du da den Zaun bauen willst.“ entgegnet Frau B. unwirsch.

„Na weißt du doch, die Moni hat doch jetzt den Bruno.“ brummt Hans-Georg.

In der Tat hatte Bruno mir schon einen Besuch abgestattet. Er inspizierte meine Kartoffelzeilen und auch mein Löwenzahnbeet gefiel dem temperamentvollen Promenadenmischling.

„Och“, sage ich, “so schlimm find ich Bruno nicht. Ein Zaun wär schlimmer.“

„Das sagst du jetzt, und was wenn Bruno an deiner Laube sein Bein hebt?“ Herr B. schüttelt besorgt den Kopf.

„Höher als 80 Zentimeter darf der Zaun doch eh nicht werden und da springt Bruno locker drüber“, wende ich ein.

„Wie du willst, spar ich Arbeit und Geld. Aber mal was anderes: Was machst du eigentlich mit den vielen Sauerkirschen?“

„Gute Frage. Zunächst mal Sauerkirsch-Schoko-Peperoni-Marmelade. Dazu entsteine ich 1 kg Sauerkirschen gebe 500 g Gelierzucker 2:1, eine kleine, scharfe, feingewürfelte Peperoni, aus der ich zuvor die Kerne entfernt habe und 200 g grob gehackte Bitterschokolade (mind. 70 %) dazu. Das Gemisch koche ich zirka 5 Minuten bis die Schokolade gut verlaufen ist und fülle es dann in bereitgestellte Schraubdeckelgläser.“

Ich sehe in Hans-Georgs Augen,  dass er in den Standby-Modus geschaltet hat und fahre dennoch unbeirrt fort:

„Und damit Abwechslung auf den Frühstückstisch kommt, nehme ich an einem trockenen Tag 250 g bis 300 g von Brunos Lieblingslöwenzahnblüten. Ich zupfe alle grünen Blütenteile ab und koche die gelben Blütenblätter zusammen mit Scheiben von zwei Zitronen in einem Liter Wasser für eine halbe Stunde. Den abgekühlten Sud schütte ich durch ein sauberes Tuch. Danach rühre ich ihn in einem großen Topf mit 2 kg Rohrohrzucker koche das Ganze nochmals für ungefähr 45 Minuten auf kleiner Flamme bis die Masse geliert. Den beim Kochen entstehende Schaum schöpfe ich ab. Je länger der Löwenzahnhonig kocht, desto zähflüssiger wird er. Wie die Kirschen, fülle ich die Masse in Schraubdeckelgläser und stürze diese.“

Nach einer längeren Pause habe ich Hans-Georgs Aufmerksamkeit wieder.

„Da gibt es doch bestimmt Kostproben? Ich helfe auch bei der Kirschernte.“ beginnt er zu verhandeln.

„Nur wenn das Rasenmähen demnächst nicht mehr am Wochenende stattfindet.“

„Versprochen“

41 Gedanken zu “Scharfe Kirschen und Hundeblumenhonig

  1. Mann, hat sich das lesen diesmal für mich doppelt gelohnt !!! Ein mal für den Geist und noch einmal ( eigentlich zwei) für den Magen und die Geschmacksnerven. Heißen Dank Karo-Tina. LG Jacob

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  2. Löwenzahnhonig. Im letzten Jahr wollte und wollte er mir nicht gelieren. Der war auch nach 2 Stunden kochen und viel mehr Zucker noch dünnflüssig wie … Ach lassen wir das. Vielleicht probier ich es dieses Jahr noch mal.

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  3. Köstlich, also ich meine, das Geschriebene, deine Kreationen sicher auch. Das scheint eine Rentnerkrankheit zu sein, zu den unmöglichsten Zeiten zu mähen. Ob ich vielleicht auch Löwenzahnhonig kochen muss? Hm …
    LG, Ingrid

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  4. Liebe Karo-Tina!

    Was ich davon halte? Phänomenal!
    Sowohl von dem Schreibstil als auch von den darin versteckten Rezepten mit genauester Zubereitungsangabe. Elegant, wie du die Grenzen des modernen Rezeptbegriff neu auslotest! (Ich habe da tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit eine Arbeit drüber geschrieben – wozu man nicht alles forschen kann…) 🙂
    Den scharfen Kirschen finde ich sehr interessant – vor allem, da die Kombination von Schokolade und Chili schon so klasse ist. Wenn da noch Kirschen hinzukommen, muss das toll schmecken. Ich hoffe, ich komme bald an eine große Portion Kirschen heran, damit ich das einmal ausprobieren kann! 🙂

    Liebe Grüße und hab‘ einen wundervollen Sonntag!
    Jenni

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  5. Karo-Tina… ein wunderschoener Italienischer Name!!!!
    Dein Blog ist Klasse. Als Italienerin liebe ich das gutes Essen und Rezepte. Wird Dir folgen!

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