Stockbrot – herzhaft oder süß

Einige Gartennachbarn nehmen jede Gelegenheit wahr, größere Feuer zu entfachen. Osterfeuer, Sommersonnenwende, Martinsfeuer, Wintersonnenwende, es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht irgendein zündender Anlass gefunden wird. Auf dem Zettel an der Tür zum Vereinsheim steht: Heute Walpurgisfeuer.

Die Kinder tragen schon seit einigen Tagen jedes Holzstück, dessen sie habhaft werden können, zur Festwiese. An einigen Zäunen lichtet sich die Lattung und die Kleingärtnerschaft sieht dem kommenden Ereignis durchaus mit gemischten Gefühlen entgegen.

Zunächst wird der zur Verbrennung vorgesehene Haufen noch einmal durchwühlt. Einerseits, um etwaige Untermieter, wie zum Beispiel Igel aufzuscheuchen und andererseits, um noch intakte Zaunlatten wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Nach vollzogener Inspektion wird das Brennmaterial in der anderthalb Meter großen Feuerschale aufgeschichtet.

Ich wurde überredet, Teig für Stockbrote anzusetzen. Dazu fertigte ich zunächst aus 200 Gramm Kokosfett, fünfzig Millilitern Sonnenblumenöl, einem Apfel, einer mittelgroßen Zwiebel, zwei Knoblauchzehen, einem Esslöffel frischem Thymian, einem halben Teelöffel Salz und einer Prise frisch gemahlenem Pfeffer ein Glas voll Zwiebelschmalz. Dazu würfelte ich die Zwiebel, den Apfel und die Knoblauchzehen fein und hackte den Thymian. Ich zerließ fünfzig Gramm Kokosfett mit den fünfzig Milliliter Öl und schwitzte darin alle Zutaten an. Später gab ich das restliche Kokosfett dazu, bis alles ganz zerlassen war, salzte, pfefferte und füllte ein großes Bügelglas.

Für einen herzhaften Teig würfelte ich zwei weitere Zwiebeln und dünstete diese in vier Esslöffeln meines Apfelschmalzes an. Dann löste ich einen Würfel Hefe in einem Gemisch aus 240 Millilitern Wasser und zwei Teelöffeln Apfeldicksaft auf. Ich vermengte 400 Gramm Dinkelmehl (Typ 630) mit 100 Gramm Kastanienmehl und einem Teelöffel Salz, rührte die Hefe und das flüssige Zwiebelschmalz dazu und knetete einen geschmeidigen Teig, den ich zugedeckt in einer Schüssel gehen ließ.

Einen weiteren Teig knetete ich aus einem Würfel Hefe, 500 Gramm Dinkelmehl (Typ 630), 100 Gramm getrockneten Cranberrys und einer Prise Salz. Zuvor hatte ich den Würfel Hefe in 260 Millilitern lauwarmer Hafermilch mit drei Esslöffeln Apfeldicksaft gelöst. Auch diesem Teig gab ich zirka anderthalb Stunden Zeit zum Gehen.

Als ich meine Teigschüsseln Richtung Feuerstelle trage, werde ich dort schon erwartet. Die Männer schnitzen ihren Sprösslingen Backstöcke oder starren in die Flammen und führen bedächtig Bierflaschen zum Munde.

Die Frauen hocken unter dem Vordach des Vereinsheimes um einen Tisch, auf dem eine Kanne mit selbst angesetztem Kräutertrank steht. In einer Ecke lehnen Besen.

Wir bestücken Backstöcke und nippen vom Gebräu. Hin und wieder darf einer der Knirpse eine Handvoll getrockneten weißen Salbei auf die Glut werfen. Die Rauchschwaden winden sich durchs Geäst des Walnussbaumes und wehen dann hexengleich davon.

36 Gedanken zu “Stockbrot – herzhaft oder süß

  1. Da habe ich sofort Appetit bekommen und bin, noch nicht ganz fertig gelesen, vom Schreibtisch in die Küche gehüpft. Dinkelmehl für Brötchen hatte ich gestern sowieso gekauft. Aber das Schmalz … Mit den Zwiebeln habe ich ordentlich übertrieben, dafür auf den Knoblauch verzichtet und Leinöl bzw. Rapsöl in die abkühlende Pampe gerührt. Jetzt geht der Teig und das Zwiebelfett kühlt im Glas. Auf das Ergebnis bin ich gespannt wie ein Flitzebogen und wenn alles wie erwartet schmeckt, habe ich jetzt jederzeit ein Mitbringsel, falls ich wieder unter die Leute gehe 😉

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  2. Herrje, waren es nur drei Teigsorten für ein Stockbrot? Oder wurden sie zusammengemischt? Ich habe da schnell den Faden verloren. Und das Schmalz gehört das zu dem Teig oder eher als Aufstrich, wenn das Brot fertig ist? Und wie kommt dann der Teig genau auf den Stock? Bleibt der da auch kleben? Wie sieht dann das Brot am Ende aus? Stockbrot … So nett das auch alles ist, ich mach dann mal lieber ein paar Löcher in die Oberfläche, stecke die ganze Packung in die Mikrowelle und lasse sie drei Minuten laufen. Klar ist das im Gegensatz zu Deiner kundigen Handarbeit armselig … gefragt, ob ich armselig sein möchte, hat mich aber auch keiner …

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  3. Wir haben früher dazu immer das sehr lyrische Wort Knüppelkuchenteig benutzt. Gott habe ich das geliebt. Seit Kindheit nicht mehr gegessen. Trotzdem kommen mir grad Erinnerungen des Geschmackes hoch. hmmmm….
    Danke 😀
    Achso: Süß muss er sein. unbedingt. 😀

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    1. Ja, Knüppelkuchen ist eigentlich der schönere Name. Warum habe ich nicht daran gedacht? Hm, vielleicht ist ja auch der herzhafte Teig Stockbrot und der süße Teig der Knüppelkuchen?
      Lyrische Grüße aus dem Garten. 🙂

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  4. Stockbrot. Wie schön.
    Das haben wir früher oft mit unseren Kindern am Strand von Formentera gemacht.
    Dort durfte man noch Feuer am Strand machen.
    Es waren die reinsten Seeräuberabende:
    Feuer, Stockbrot, Käase, Rotwein (für die großen Seeräuber)..

    Verfliegt Euch nur nicht auf Euren Besen!

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  5. Die Frauen hocken unter dem Vordach des Vereinsheimes um einen Tisch, auf dem eine Kanne mit selbst angesetztem Kräutertrank steht. In einer Ecke lehnen Besen

    Ich dachte immer. moderne HExen reiten auf Akkustaubsaugern? 😀

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  6. Das hört sich ganz fantastisch an 😀
    Ich liebe Stockbrot in wirklich jeder Variante und freue mich jedes Jahr aufs neue darauf.

    Liebe Grüße

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