Bärlauch-Hirse-Bratlinge mit Löwenzahnsalat

Bruce und Pierre werkeln hinter dem Haupteingang zu unserer Kleingartenanlage an einer Holzkiste. Darin befand sich der Streusand. Gartenfreunde, die Winterdienst auf den an unser Vereingelände angrenzenden Bürgersteigen verrichteten, benötigten im vergangenen Winter reichlich Sand. Nun ist die Kiste leer. Die ideale Gelegenheit morsche Bretter auszuwechseln.

Als die beiden mich sehen, unterbrechen sie ihre Arbeit.

„Na“, fragt Bruce, „brauchst du Löwenzahn?“ Er deutet auf junge Triebe, die rings um die Kiste aus dem Boden geschossen waren.

„Natürlich!“ sage ich im vorüber gehen. „Ich hole nur schnell meinen Unkrautstecher.“ Bruce und Pierre werfen sich vielsagende Blicke zu. Pierre macht mümmelnde Mundbewegungen.

„Das habe ich gesehen.“, sage ich.

Pierre grinst.

Die Ausbeute ist beachtlich. Ich schneide die Löwenzahnwurzeln ab und wasche die Blätter gründlich. 800 g reichen für vier Personen. Aus 12 EL Olivenöl, 4 TL Senf, 4 EL Essig und vier zerstampften kleinen Pellkartoffeln mische ich ein Dressing. Frisch gemahlener Pfeffer und Salz runden die Sache ab. Die Pellkartoffeln im Dressing mildern die Bitterstoffe der Löwenzahnblätter. Diesen Bitterstoffen verdankt der Löwenzahn auch seine appetitanregende Wirkung. Ein idealer Kandidat für Vorspeisen.

Das Fräulein Tochter kündigt telefonisch einen ihrer alljährlichen Frühjahrsbärlauchschnorrbesuche an.

„Was willst denn machen? Pesto?“, frage ich.

„Mamma, ich habe schon was gemacht, aber ich brauche mehr Bärlauch.“

„Was hast du denn gemacht?“

„Bärlauch-Hirse-Bratlinge. Ich bringe gleich mal welche mit.“

Seit einigen Jahren entwickelt sich mein Bärlauchbestand zufriedenstellend. Unter einem opulenten Fliederbusch sprießen die leckeren Blätter im Frühling aus dem Boden. Jetzt, wo ich genauer hinschaue, entdecke ich auch die Stelle, die meine Tochter bereits beerntet hatte. Wenigstens kann sie hier den Bärlauch nicht mit giftigen Maiglöckchen oder Herbstzeitlosen verwechseln, denke ich.

Kipirr!“ Meine Gartentürschelle scheppert. Das Fräulein Tochter trägt eine Vorratsdose zum Grill vor meiner Laube.

Für die Bratlinge hatte das Fräulein Tochter eine Zwiebel (70 g) fein gehackt und in Rapsöl angebraten, 300 g Hirse gewaschen und in 600 ml Gemüsebrühe zirka 10 Minuten geköchelt und dann eine feingewürfelte Karotte (110 g) dazugegeben und alles weitere 15 Minuten bei wenig Hitze quellen lassen. Eine gute Hand voll Bärlauchblätter wurden mit 4 El Rapsöl püriert und zusammen mit den Zwiebelstückchen, je einer kräftigen Prise Muskat, Salz und Pfeffer und einer Tasse Semmelbrösel unter die Hirsemasse gerührt. Zum Schluss formte sie mit angefeuchteten Händen Bratlinge und briet diese von beiden Seiten kurz an.

Wir heizen den Grill, verpassen den Hirse-Bärlauch-Frikadellen etwas mehr Bräune, naschen Löwenzahnsalat und beschließen die Handwerker an der Streusandkiste zu beköstigen. Pierre und Bruce langen kräftig zu.

„Und“, frage ich, „gut?“

„Hm“, schmatzt Bruce, „für Hasenfutter sogar sehr gut.“

30 Gedanken zu “Bärlauch-Hirse-Bratlinge mit Löwenzahnsalat

    1. Oh sogar pappsatt, alles eine Frage der Menge. Zum Glück ist weder Frikadelle noch Wurst ein geschützter Begriff. Es gibt schließlich auch Fischfrikadellen, warum nicht auch Hirsefrikadellen?
      Namenlose Grüße aus dem Garten 🙂

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      1. Oh, das glaub ich aber schon, dass der Begriff geschützt ist. Es muss Fleisch enthalten sein.

        Satt macht, was Kohlehydrate oder Fett mit sich bringt und nicht nur einen vollen Bauch suggeriert. Der Regelmechanismus funktioniert über den Blutzuckerspiegel und nicht über die Spannung des Bauches 🙂 .

        Wie auch immer: Sie schmecken wahrscheinlich sehr gut – die Bratlinge, aber ich hätte nach ner Stunde wieder Hunger.

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  1. Hört sich lecker an 🙂 Ich wundere mich nur, daß es bei dir schon Löwenzahnblätter und Bärlauch gibt ? Mein Löwenzahn auf dem Balkon hat gerade mal 4-5 cm lange Blätter, wenn man die Fitzel so nennen kann. Staunende Grüße aus dem 3. Stock

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  2. Die Hirsebratlinge mit Bärlauch werde ich auf jeden Fall mal probieren. Bei Löwenzahn muss ich passen. Den entdecken die bellenden Vierbeiner immer vor mir und mein Biohof hat bisher keinen im Angebot.

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      1. Oje, ich bekäme Ärger mit Vermieter und Nachbarn. Müsste erst Halteringen am Fensterbrett anbringen und dann heißt es:“Die züchtet Unkraut.“ bzw. Ich ließe die Kästen verwildern. Nein, ich weiß ja auch nicht, ob es mir schmeckt und bekommt. Im Bioladen oder auf dem Wochenmarkt würde ich mal ein Bund versuchen. Ich weiß, dass Löwenzahn als Salat in Frankreich angebaut wird. Vielleicht krieg ich mal welchen.

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  3. Hallo Tina! Mir gefällt Deine Art, Rezepte mit einer kleinen Geschichte zu verbinden, was dem Ganzen einen unterhaltsamen, persönlichen Touch gibt ! Man kann sich supi-dupi in Eure Gartenanlage einfühlen, wobei ich mir so etwas für mich nicht vorstellen könnte! Aber Deine Geschichten mag ich trotzdem sehr gerne und bei den leckeren Bratlingen und dem Löwenzahnsalat würde ich sicher nicht nein sagen! Danke für Deine tolle Unterhaltung! Man fühlt sich irgendwie in eine ,,heile Welt“ versetzt… Alles Liebe, Nessy

    http://www.salutarystyle.com

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